Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich will nur zwei Sätze zu meinem Vorredner verlieren und mich dann wieder dem eigentlichen Thema zuwenden.
(Holger Bellino (CDU): Sehr vernünftig!)
Wir bemühen uns in Hessen um eine realistische Umgangsweise mit der Rückkehr des Wolfs – das ist das eine. Hier unterstützen wir alle diejenigen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Zu dem Thema wolfsfreie Zonen möchte ich nur den Fakt nennen, dass bei uns in Hessen bislang mehr Wölfe, die durchzogen, überfahren wurden, als bislang überhaupt gesehen wurden oder als dass möglicherweise ein einziger Wolf in Hessen in diesem oder im nächsten Monat ansässig wird. – Das ist Fakt, und damit sollte sich vielleicht auch die AfD einmal beschäftigen.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE)
Bei aller Besorgnis, die ich bei den Weidetierhalterinnen und -haltern nachvollziehen kann, glaube ich, dass es doch sinnvoll ist, dass man hier die Kirche im Dorf lässt und anerkennt, wie die Situation ist.
Meine Damen und Herren, Hessen zeichnet sich durch eine abwechslungsreiche, vielseitige Kulturlandschaft aus. Jede Region hat ihre Besonderheiten, ob es die Hügel des Odenwaldes, die Weite der Rhön, das beschauliche Lahn-Dill-Bergland oder die Magerrasen im Werra-Meißner-Kreis sind. Den Erhalt dieser prägenden Landschaftsbilder haben wir in erster Linie den hessischen Bäuerinnen und Bauern, und in ganz besonderer Weise den Weidetierhalterinnen und -haltern zu verdanken. Die Weidetierhaltung ist nicht nur wichtig für die Landschaftspflege, sondern sie hat auch für den Naturschutz einen besonderen Stellenwert. Der Artenreichtum vieler Standorte lässt sich vor allem durch gezielte Beweidung erhalten, weil dadurch Verbuschung zurückgedrängt und wertvoller Pflanzensamen durch die Tiere weitergetragen wird. Das gilt insbesondere für die Schaf- und Ziegenhaltung und vor allen für die Schäfereien, die Wanderschäfereien sind, weil sich das dort weiter fortsetzt: Was an einem Fleck wächst, kann sich dann auch wieder woanders ansiedeln.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, bei der Weidetierhaltung werden bedauerlicherweise oftmals keine kostendeckenden Erlöse erzielt, weil die erzielbaren Preise für Fleisch und Wolle zu niedrig sind. Auch kann die Honorierung der Landschaftspflegeleistung für den Naturschutz – das sage ich hier ganz offen und klar – den Mangel an Wirtschaftlichkeit nicht ausgleichen. Das schaffen wir nicht, weil die notwendigen Mittel aus der GAP leider nicht zur Verfügung stehen. Das führt eben dazu, dass die Zahl der Betriebe über die Jahre rückläufig ist – nicht nur in Hessen, aber bedauerlicherweise auch bei uns –, dass die Tierbestände abnehmen. Damit ist mittelfristig die Entwicklung unserer Kulturlandschaft bedroht. Das muss uns alle besorgen. Deswegen ist es wichtig, dass die Gemeinwohlleistungen der Schaf- und Ziegenhaltung ausreichend honoriert werden können.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir können hier nicht auf die neue europäische Agrarpolitik warten. Das wird noch zwei, drei Jahre dauern, bis wir da die neue Programmatik haben. Leider bewegt sich die Bundesregierung trotz Bundesratsbeschluss nicht, den übrigens Hessen erwirkt hat. Wir haben die Initiative in den Bundesrat eingebracht.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin sehr froh, dass sich die Koalitionsfraktionen dazu durchgerungen haben, kurzfristig 1 Million € für die Einführung einer Weidetierprämie in diesem Haushalt zur Verfügung zu stellen. Damit geben sie ein starkes und motivierendes Signal für die Schaf- und Ziegenhaltung in Hessen. Ich bedanke mich recht herzlich dafür. Ich bedanke mich auch bei den Fraktionen, die dies mit unterstützen.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (DIE LINKE))
Herr Lotz, natürlich meint „Weidetierprämie“ nicht „Flächenprämie“. Insofern ist es auch tatsächlich eine Möglichkeit, die großen, aber auch die kleinen Betriebe zu unterstützen. Wir greifen natürlich die Besorgnis auf – auch mit einer Weidetierprämie –, die sich bei den Schaf- und Ziegenhaltern bezüglich der Rückkehr des Wolfes breitmacht. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber wir lassen nicht nach – das will ich hier ganz deutlich sagen –, auf Bundes- und EU-Ebene für die tierbezogene Förderung zu streiten. Nachdem Deutschland vor 15 Jahre hierbei ausgestiegen ist, hat dies vor allem für Betriebe mit wenig eigener Fläche zu deutlichen Einbußen geführt. Obwohl heute andere Rahmenbedingungen bestehen und in 22 EU-Mitgliedstaaten nach wie vor tierbezogene Beihilfen für die Schaf- und Ziegenhaltung gezahlt werden, vertritt die Bundesregierung eine ablehnende Haltung. Herr Schenk, auch hierzu hätte es ihres europakritischen Diskurses nicht bedurft; denn wir selbst können in Deutschland eine tierbezogene Haltungsprämie einführen.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (DIE LINKE))
Meine Damen und Herren, in den für Ende dieses Jahres anstehenden Verhandlungen zur Umsetzung der künftigen EU-Agrarpolitik wird auch darüber erneut entschieden, wie viele Gemeinwohlleistungen durch öffentlichen Mittel finanziert werden. Auch hier hat Hessen dazu beigetragen, dass wir ehrgeizige Bundesratsbeschlüsse haben. Wir haben entscheidende Passagen im Koalitionsvertrag. Ich werde mich jedenfalls mit Nachdruck dafür starkmachen, dass die Wiedereinführung der Schaf- und Ziegenprämie gelingt, dass Gemeinwohlleistungen auf EU-Ebene besser finanziert werden können und die Bundesregierung – diese oder eine nächste – die Wiedereinführung der Schaf- und Ziegenprämie tatsächlich umsetzt.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sehe bei einigen Bundesländern durchaus gleich gelagerte Interessen. Sachsen und Thüringen haben die Weidetierprämie bereits eingeführt. An Thüringen werden wir uns auch mit Blick auf die Umsetzung der Weideprämie orientieren. Ich sage ganz deutlich: Dieses Jahr ist der Start der Weidetierprämie. Daher werden wir im nächsten Jahr sicherlich noch einmal über weiterführende Finanzierungen sprechen, aber wir können in diesem Jahr mit diesem Koalitionsbeschluss starten, und das finde ich sehr gut.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hessen reiht sich nun ebenfalls in die Gruppe dieser Vorreiter ein, und ich sehe mich in meinem Ziel gestärkt, die Weidetierhaltung in Hessen zu unterstützen. Es ist ein weiterer Baustein zur Förderung und Unterstützung der Weidetierhaltung in Hessen. Bereits 2018 hat Hessen als erstes Bundesland eine flächendeckende Herdenschutzprämie für Schaf- und Ziegenhalter eingeführt. Da mögen manche sagen, das sei nicht genug, weil wir keine 100-%-Förderung haben; das ist richtig. Das soll den Mehraufwand finanzieren. Wir finanzieren es in ganz Hessen, nicht nur in einigen Gebieten, die möglicherweise Wolfserwartungsland sind. Auch dies ist eine wichtige, aber aus meiner Sicht eine richtige Entscheidung.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)
Diese Unterstützung wurde im Jahr 2019 von 17 €/ha auf 31 €/ha aufgestockt. Dieses Jahr wird sie auf 40 €/ha aufgestockt. Sie gilt dann bereits ab vier Tieren und 2 ha. Auch das ist eine Erleichterung. Wir fördern also die Tierhalterin bzw. den Tierhalter mit seltenen Nutztierrassen, darunter das Rhönschaf, das Coburger Fuchsschaf, die Weiße Deutsche Edelziege – auch hierfür werden derzeit jährlich rund 110.000 € aufgewendet. Wir unterstützen Naturschutzgroßprojekte, und wir wollen das Programm auf weitere Nutztierrassen ausweiten. Meine Damen und Herren, natürlich wollen wir, dass viele Mittel bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen. Deswegen werde ich mich dafür einsetzen, dass die europäische De-minimis-Regelung an dieser Stelle gelockert wird. Es ist nicht sinnvoll, Geld in die Hand zu nehmen und mit der linken Hand etwas zu geben, was wir mit der rechten Hand wieder nehmen müssen.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen haben Sie eine klare Aussage: Wir wollen das diesbezüglich ändern.
Präsident Boris Rhein: Frau Ministerin, ich weise nur auf die Redezeit der Fraktionen hin.
Hinz: Einige letzte Sätze. – Der Fraktionsantrag von CDU und GRÜNEN macht deutlich, dass Weidetierhaltung in Hessen weiterhin eine hohe Bedeutung sowie eine große Unterstützung hat und dass sie in dieser Weise gefördert wird. Dafür möchte ich mich recht herzlich bedanken – natürlich auch bei allen, die täglich ihre Arbeit mit ihren Weidetieren tun. Das ist eine harte Arbeit; das darf man dabei nicht vergessen. – Herzlichen Dank.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)