Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Egal ob Fleischer, Gastronomen, Bäcker oder große Industrieunternehmer – um mit denen anzufangen, die Lebensmittel herstellen –, sie sind für die ordnungsgemäße Beschaffenheit dieser Lebensmittel zuständig. Die Behörden sind dann verantwortlich dafür, möglichst gut und ausreichend zu kontrollieren und auch unangemeldet zu kontrollieren. Der Fall Wilke hat gezeigt, dass es wichtig ist, die Praxis der Lebensmittelkontrolle in Hessen zu verbessern. Deswegen wollen wir die Qualität der Lebensmittelüberwachung insgesamt stärken – von den Kreisen über das Regierungspräsidium, die Taskforce bis hin zum Ministerium.
Ich kann gern heute noch einmal ausdrücklich sagen, dass auf jeder Ebene Fehler gemacht wurden. Das habe ich jetzt aber schon so oft gesagt, dass es jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete gehört haben müssten.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller (Heidenrod) (Freie Demokraten): Haben Sie auch Fehler gemacht?)
Herr Kollege Grumbach, ich habe mich bereits auf meiner ersten Pressekonferenz mit großem Bedauern darüber geäußert, dass bei uns im Ministerium der Fehler passiert ist. Also, auch dies war und ist öffentlich.
(Holger Bellino (CDU): So ist es!)
Aber, meine Damen und Herren, jetzt müssen auch Konsequenzen gezogen werden. Die Einführung des allgemeinen Weisungsrechts ist ein wichtiger Baustein, um diese gemeinsame Lebensmittelkontrolle zu verbessern – ein Baustein, wenn auch ein wichtiger.
Ich will deutlich sagen, dass das weiter gehende Weisungsrecht nichts an der bestehenden Zuständigkeitsverteilung ändert. Die Landkreise und die kreisfreien Städte bleiben zuständig für die Veterinärkontrolle vor Ort. Aber es ist wichtig, dass wir im Einzelfall Weisung ausüben können, bevor ein Krisenfall eintritt, wie z. B. im Fall Wilke.
Die Kollegin Gronemann hat darauf hingewiesen, dass man z. B. bei der sich nähernden Afrikanischen Schweinepest daran denken muss, dass vielleicht im Nahraum von Hessen die ersten Fälle auftreten und die Landkreise an der Grenze sich nicht einig sind, ob sie jetzt eine Einstallung beschließen wollen oder nicht, der eine Kreis es so handelt und der andere Kreis anders, und wir, weil es noch nicht bei uns und nicht kreisübergreifend ist, als Fachaufsicht nicht sagen können, wie es denn gehandhabt werden soll. Das wäre doch ein Treppenwitz der Geschichte. Das allein zeigt, dass es notwendig ist, so ein allgemeines Weisungsrecht zu haben.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Torsten Felstehausen (DIE LINKE))
Mit neuen, klareren Kompetenzen stärken wir auch den vor Ort handelnden Personen den Rücken. Wir halten ihnen den auch ein bisschen frei, indem bestimmte Verantwortlichkeiten dann geteilt werden. Ich sehe es schon so, dass wir ihre alltägliche Arbeit unterstützen wollen, und das ist auch richtig. Denn wir haben in Hessen eine gut funktionierende Lebensmittelüberwachung mit sehr engagierten, motivierten und befähigten Kräften vor Ort. Darauf sollten wir nichts kommen lassen. Wir sollten hier auch nicht alles schlechtreden. Wir sollten nicht so tun, als hätten wir in Deutschland nicht insgesamt gute, gesunde Lebensmittel und als seien die Behörden allesamt unfähig. Denn das stimmt nicht. Sie sind sehr gut aufgestellt, und wir sollten sie wirklich nicht schlechtreden.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, dass man da, wo man strukturelle Mängel erkennt, dann auch gegensteuert. Ein struktureller Mangel ist aus meiner Sicht, dass die obere Fachaufsicht, d. h. die Regierungspräsidien, bislang keine gemeinsamen unangemeldeten Kontrollen mit den örtlichen Veterinärbehörden macht. Das soll sich ändern. Ich halte es für sinnvoll, dass sich die Zulassungsbehörde, die nämlich dafür zuständig ist, einen Betrieb am Anfang zuzulassen, auch zwischendrin, möglichst jährlich, bei komplexen Betrieben mit der örtlichen Veterinärbehörde selbst ein Bild davon macht, wie es mit diesem Betrieb bestellt ist und ob es eventuell zulassungsrelevante Mängel geben könnte. Ja, das halte ich für richtig, und deswegen wird das ab nächstem Jahr in Hessen auch so geschehen.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, schon jetzt kann die Taskforce Lebensmittelsicherheit von den Behörden zur Unterstützung hinzugezogen werden. Diese Unterstützung, die auch von den Veterinärbehörden vor Ort, die es denn machen, sehr gelobt wird, wollen wir ausbauen und die Taskforce weiter stärken. Zu dieser Stärkung gehört, dass sie personell aufgestockt wird, genau wie die Fachaufsicht bei den Regierungspräsidien. Dazu gehört aber auch, dass es möglich sein soll, dass die Taskforce nicht nur auf Bitten und Wunsch eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt zur Kontrolle eingeladen wird, sondern dass die Fachaufsicht auch sagen kann: Wir waren in dem Betrieb bei einer Kontrolle mit dem Kreis, da müssen wir jetzt mit vielen Leuten rein, mit besonderen Spezialisten, und dann holen wir die dazu. Ein Betrieb wie Wilke mit 59 Betriebsräumen kann nicht von drei, vier oder fünf Behördenvertretern allein beurteilt werden. Da müssen wirklich einmal 15, 16, 17 Leute rein und den ganzen Betrieb an zwei Tagen auf den Kopf stellen. Das soll künftig möglich sein, meine Damen und Herren.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Taskforce bietet bereits jetzt vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten mit Fortbildungsprogrammen auch für die Veterinärämter an. Weil die Herausforderungen an Lebensmittelkontrolleure immer größer werden, soll die Qualität noch verbessert werden. Hierzu habe ich gemeinsam mit dem Minister von Baden-Württemberg bereits eine Vereinbarung für die Aus- und Fortbildung geschlossen. Das heißt, wir wollen gemeinsam die Qualifizierung in die Hand nehmen, länderübergreifend zu bestimmten Themen. Auch hier ist es sinnvoll, dass wir die örtlichen Veterinärbehörden unterstützen, entlasten und damit natürlich auch die Kreise und die kreisfreien Städte von dieser Aufgabe entlasten, immer selbst die Qualifizierung zu übernehmen.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wichtig sind aber nicht nur die Kontrollen, sondern auch die Kommunikation. Die Fachaufsicht kann nur dann ausreichend sichergestellt werden, wenn das Berichtswesen einer hohen Qualität unterliegt. Das Berichtswesen muss gewährleisten, dass die Fachaufsicht frühzeitig informiert wird. Deswegen werden wir Kriterien entwerfen, um den Kreisen eine entsprechende Sicherheit und Orientierung für solche Berichte zu geben.
Meine Damen und Herren, der Fall Wilke hat gezeigt, dass eine korrekte Risikoanalyse des Lebensmittelunternehmens vorgenommen werden muss. Auch hier wollen wir im Rahmen von Fort- und Weiterbildung das Personal umfänglich und regelmäßig weiter schulen. Das wird ebenfalls im nächsten Jahre beginnen. Ab dann kann auch die Risikoeinstufung von der Fachaufsicht selbst eingesehen werden, damit wir nicht nach zwei Jahren feststellen, dass die Risikoeinstufung falsch gewesen ist, sondern das muss Hand in Hand gehen. Auch dies wird sich ab dem nächsten Jahr entsprechend ändern.
Das heißt, wir machen ein ganzes Maßnahmenbündel. Es bleibt nicht allein bei dieser Änderung am Gesetz. Ich halte es auch für sinnvoll, dass es einen Strauß von Maßnahmen gibt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir das Thema weiter beackern und bearbeiten werden, weil sich immer wieder neue Herausforderungen ergeben.
Da der Rechnungshof im Frühjahr einen Bericht vorlegen wird, der gerade die ganze Lebensmittelüberwachung überprüft, werden wir auch anhand des Berichts des Rechnungshofs noch einmal diskutieren: Ist alles richtig, wie wir jetzt die Lebensmittelbehörden aufstellen, oder müssen wir Weiteres tun? – Auch hier ist die Debatte noch nicht zu Ende.
Ich sage Ihnen, ein Gesetz kann man auch in drei Jahren gut ändern oder in fünf Jahren gut ändern, wenn man merkt, es muss geändert werden. Da muss man jetzt nicht eine Jahres- oder Zweijahresfrist einführen. Ein Gesetz kann man jederzeit ändern. Wichtig ist, dass wir die qualitativen Debatten führen, wie die Lebensmittelkontrolle in Hessen aufgestellt sein soll. Das werden wir weiterhin gewährleisten.
– Danke schön.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)